Wer mit der Schule endlich fertig ist und voller Begeisterung in seinen Traumstudiengang stürmt, der sieht sich zunächst einer Märchenwelt ausgesetzt. Endlich kann man all die ungeliebten Fächer hinter sich lassen und nur das lernen, was einen wirklich interessiert. Nie wieder Matheformeln büffeln, nie wieder versuchen, im sterbenslangweiligen Physik-Unterricht wach zu bleiben, sondern nur noch mit dem persönlichen Lieblingsfach der Holzwirtschaft auseinandersetzen – fantastisch! Die Glorifizierung des zukünftigen Studiengangs ist gerade bei Erststudierenden ziemlich signifikant – und vergeht umso schneller, wenn man spätestens in der ersten Klausurenphase mit der harten Realität konfrontiert wird.
Wer studiert, muss sich nämlich nicht immer nur dem Stoff stellen, der ihn wirklich interessiert. Dafür sind Studienfächer in der Regel einfach viel zu breit gefächert. Jeder Studierende wird früher oder später mit Themen konfrontiert werden, die ihn überhaupt nicht interessieren. Unter Umständen helfen einem diese Inhalte wenigstens für seinen späteren Beruf, wenn’s ganz mies läuft kann ein Thema aber auch durchaus mal nur dazu dienen, ein Pflichtmodul abzuschließen. Die Folge ist ätzendes Bulimie-Lernen, das wir nach der Schule eigentlich für immer aus unserem Alltag verbannen wollten, uns aber im Studium in manchen Phasen manchmal mehr einzuholen scheint als noch in jeder Klassenarbeit.
Darüber können wir durchaus zurecht lamentieren, soll doch das Studium eigentlich zu unserer persönlichen Erfüllung dienen und nicht aus dem bloßen Abarbeiten von Klausuren mit dem Ziel „Bachelor-Abschluss“ bestehen. Und wer in seinem Studium quasi nur für ihn redundante Themen lernt, der sollte sich vielleicht auch grundsätzlich fragen, ob er in seinem Fach überhaupt richtig ist. Gleichzeitig ist es ratsam, Studieninhalte kritisch zu hinterfragen. Macht es zum Beispiel für einen Grundschullehrämter Sinn, sich mit irrationalen Zahlen zu beschäftigen? Und wäre es für Lehrämter auf Gymnasialniveau nicht sinnvoller, noch einen deutlicheren Fokus auf pädagogische Kompetenzen zu legen? Wer in seinem Studium viel Entbehrliches oder nicht das Richtige lernt, muss schließlich nicht zwangsläufig im falschen Fach sein, vielleicht ist auch nur der vorgegebene Stundenplan falsch konzipiert – ein Problem, dass man dringend zum Beispiel beim Fachschaftsrat anbringen sollte.
Auf der anderen Seite sollte man sich aber auch immer Fragen, ob es nicht vielleicht doch auf irgendeine Weise Sinn macht, gewisse ungeliebte Inhalte im Studium zu verankern. Klar, vielleicht bieten sie für deine persönliche Zukunft keinen Mehrwert – aber vielleicht freuen sich andere Kommilitonen, die sich innerhalb deines Fachs anders orientieren wollen? Natürlich kannst du darüber lamentieren, dass du hier nicht wählen kannst, ob du dich damit beschäftigen willst oder nicht. Anderseits – wie kannst du wissen, dass dich etwas nicht interessiert, wenn du es nie ausprobiert hast? In einer Zeit, in der wir uns immer früher auf eine Karriere festlegen müssen, können wir auch mal dankbar sein, wenn wir uns einmal nicht entscheiden müssen. Selbst wenn das heißt, dass von Zeit zu Zeit in den sauren Apfel zu beißen.