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Die Bastion der Lerngruppe: Zwischen Alibi und Engagement

Wer vor seinem Studium mal eine Broschüre seiner Universität in der Hand hatte, der wird mit ziemlicher Gewissheit bereits ein Bild vor Augen gehabt haben, das schon ein indirektes Leitbild für den kommenden Studienverlauf suggeriert. Fröhliche Studierende sitzen auf grünen Wesen, vor ihnen ausgebreitet liegen fein säuberlich aufbereitete Ordner, Karteikarten und Laptops. Hier wird deutlich: Lernen und gedeihen macht Spaß, das Arbeiten im Team ist für ein Studium eine Selbstverständlichkeit, wir machen das alles gemeinsam und mit Lebensfreude, ganz locker und entspannt. Die Lerngruppe scheint das zentrale Organ des Studiums zu sein, wir sollen selbstständig arbeiten und uns nicht zu viel diktieren lassen – abgeranzte und überfüllte Vorlesungssäle werden auf den Flyern nämlich nur selten als Coverbild gewählt.

Schnitt. Reales Studi-Leben. Realistische Lerngruppe. Für völlig ohne Grundlage geschätzte 50 Prozent der Studierenden ist die überhaupt nicht existent – entweder, weil das Gefühl des Konkurrenzkampfes so sehr greift, dass wir unseren Kommilitonen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, oder noch viel häufiger aus dem Grund, dass keiner so engagiert ist, einen Lernkreis zu gründen. Die andere Hälfte wird mit der ernüchternden Realität der Lerngruppe konfrontiert. Die sieht in Hamburg folgendermaßen aus: Entweder ist es draußen so nass, dass die Zettel in den sauber geführten Ordnern (die sowieso niemand hat) danach nur noch als Feuchttuch benutzt werden könnten, oder aber der Klimawandel feuert die natürlichen Heizungsrohre so richtig an und sorgt dafür, dass sich unsere Gehirnkapazitäten nur noch auf die überlebensnotwendigen Instinkte wie die Suche nach Nahrung oder Schatten beschränken. Die grüne Wiese als Lernort fällt damit schonmal weg und muss entweder auf die klimatisierte Stabi oder die Erdgeschoss-Wohnung eines Kommilitonen verlagert werden.

Dort angekommen geht die motivierte Lernfreude gleich los – zumindest bei dem einen Mitglied des Kollektivs, das wirklich etwas tun möchte. Zwei andere Turteltauben flirten durchgehend miteinander und konnotieren jede Nennung des Begriffs „gleichschenkliges Dreieck“ mit einem verschmitzten Kichern. Ein anderer starrt durchgängig nur auf sein Smartphone, muss alle 10 Minuten aufs Klo und gibt regelmäßig ein „so, jetzt erstmal eine Pause“ von sich. Die Lerngruppe der Realität zeichnet sich durch eine ausgesprochene Konstanz aus. In drei Stunden bleibt sie konsequent bei einem einzigen kleinen Aspekt, der immer und immer wieder besprochen wird, damit ihn auch ja jeder verstanden hat. Wichtig ist dabei auch kontinuierlich über den Kurs zu jammern, Exmatrikulationswünsche am laufenden Band mitzuteilen und den Dozenten zu verfluchen, der so unlösbare Anforderungen stellt. Am Ende ist die Lerntruppe eigentlich eher mehr Gruppentherapie als bunte Blumenwiese. Komisch, dass das niemand auf Flyer druckt.

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