Studien belegen, dass Studierende in den vergangenen Jahren immer häufiger unter psychischen Problemen leiden. Laut einem Report der Krankenkasse Barmer sind aktuell schon 17 Prozent der Studierenden betroffen, Tendenz schnell steigend. Weitere Untersuchungen belegen, dass Depressionen und andere psychische Krankheiten offenbar im Laufe des Studiums auftreten: Junge Studierende sind deutlich seltener betroffen, im zunehmenden Alter steigt der Anteil aber stark. Diese Entwicklung ist bedenklich, vor allem, da das Bild vor einigen Jahren noch ganz anders aussah – damals galten Studenten als eher ungefährdet.
Die TU Chemnitz nimmt sich diese Entwicklung nun zu Herzen und eröffnet im Mai eine Hochschulambulanz, in der Studierenden mit psychischen Problemen geholfen werden soll. Das ist grundsätzlich absolut lobenswert, denn trotz guter Fortschritte in den letzten Jahren ist die Tabuisierung psychischer Krankheiten nach wie vor ein gesellschaftliches Problem. Nicht nur Studierende, sondern alle Menschen müssen lernen, innere Dämonen zu akzeptieren und sich Hilfe zu suchen. Eine öffentliche Einrichtung für derartige Probleme kann helfen, einen Diskurs über solche Thematiken zu eröffnen und wird mit Sicherheit vielen Studierenden einen Anstoß geben, sich ihren Schwierigkeiten zu stellen.
Gleichzeitig müssen wir uns aber fragen, aus welchen Gründen Studierende in den letzten Jahren immer öfter an psychischen Erkrankungen leiden. Zum einen rührt diese Zahl mit Sicherheit auch daher, dass sich immer mehr Menschen trauen, mit ihren Problemen zum Arzt zu gehen, dennoch erklärt dieser Fakt allein mit Sicherheit nicht eine derart rapide Häufung. Es liegt nah, diesen Anstieg mit der Bologna-Reform in Verbindung zu bringen, die den Grundgedanken eines Studiums maßgeblich beeinflusst hat. War die Universität früher noch ein fruchtbarer Raum zur freiheitlichen Selbstverwirklichung, beherrschen heute zunehmend Leistungsdruck und Konkurrenzgedanken das Hochschulleben.
Nicht selten zerbrechen Studierende an dieser schwierigen Umgebung, in der sie nur noch pauken, anstatt zu wachsen und in der sie nur noch an ihre Zukunft nach der Uni denken können, anstatt die Gegenwart zu genießen. Wenn die TU Chemnitz also eine Hochschulambulanz eröffnet, dann ist das eine wichtige und nachvollziehbare Entscheidung, sie zäumt das Pferd aber auch von hinten auf. Denn eigentlich wäre es doch in erster Linie wichtig, sich mit den Ursachen und nicht mit den Folgen zu beschäftigen, damit psychische Probleme gar nicht erst auftreten.
Dafür sind aber nicht nur die Hochschulen, sondern auch wir selbst verantwortlich. Denn wenn wir uns gegenseitig die Hand reichen und unser Studium gemeinsam und selbstständig zu einer inspirierenden Zeit machen, dann sind bereits viele wichtige Schritte getan. Lasst uns daher unsere Kommilitonen nicht als Konkurrenten, sondern als Freunde sehen. Lasst uns anderen helfen, die mit dem Tempo des Lehrstoffs überfordert sind. Lasst uns keine Eigenbrötler werden, sondern offen für die Gedanken und Ideen unserer Mitstudierenden sein. Unser Studium zu einem erinnerungswürdigen Lebensabschnitt zu machen, das liegt nach wie vor in unserer Hand – die Hürden sind nur größer geworden. Wenn wir uns gemeinsam dazu motivieren könnten, die Uni begeistert zu gestalten, dann ist das für jeden von uns etwas Positives. Und dann bräuchte die TU Chemnitz vielleicht gar nicht mehr so dringend eine Ambulanz.